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WIENER Beitrag

Alexander Rudan
5 Minuten

Liebe Mutti!

Hier bei der DMLH&W New AdDigital Group überschlagen sich wieder mal die Ereignisse. Der Werbeleiter der Baumarktkette, die wir seit einiger Zeit betreuen dürfen, hat einem unserer Chief Creative Officers letzte Woche Hausverbot erteilt. Auslöser war ein wilder Streit wegen einer von uns präsentierten Kampagne zur Bewerbung von Farben und Malerbedarf für engagierte Heimwerker und echte Bauprofis. Die Optik der Kampagne war frühzeitlicher mongolischer Jurtenmalerei entlehnt, für die Texte wurde extra ein total angesagter, avantgardistischer Zürcher Poetry-Slammer engagiert, alles total ungesehen und so progressiv, dass besagter Kreativdirektor sich bereits mindestens 3 Löwen in Cannes ausgerechnet hatte. Von Auszeichnungen bei heimischen Kreativwettbewerben ganz zu schweigen.

Die Enttäuschung darüber, dass der Kunde die Begeisterung für diese Arbeit nicht teilte, verstehe ich. Dass er den Kunden dann angeblich als inkompetenten Geschmacksproleten beschimpfte, dem er sicher nie wieder Perlen vorwerfen würde, war dann aber wohl übertrieben und nicht ganz die feine Englische Art. Wie auch immer: Der Werbeleiter des Baumarkts hat uns jetzt die Rute ins Fenster gestellt. Wenn wir nicht ganz schnell aus unserem Elfenbein herunterstiegen und ein Gespür für das Baugeschäft und die Kunden des Baumarktes beweisen würden, würde er eine Agentur finden, die das täte. Aber ganz schnell.

Geistesgegenwärtig hat unsere Geschäftsführung gleich einmal ein neues Team auf den Etat angesetzt. Und unser Associate Chief Strategy Director hatte die Idee, dass das ganz Kreativteam ab jetzt die Luft des kleinen Mannes, wie er sagte, zu inhalieren habe. So lange, bis wir denken, fühlen, handeln, lachen, weinen wie der kleine Mann. Dazu wurde uns ein Lokalverbot rund um den Naschmarkt verordnet, stattdessen sollten wir jeden Tag in Rudis Fußballcorner in Favoriten zu Mittag und in Ernis Stüberl im fünfzehnten Bezirk zu Abend essen.

Du kennst mich ja, ich bin da nicht so, aber für einige aus meinem Team war diese Maßnahme schwer verdaulich. Manche sprachen sogar von Kündigung. Ich glaube, das Ganze wäre in der Agentur eskaliert, wäre es nicht schon vor Ort passiert. Denn gleich am ersten Tag unserer Feldforschung wurden wir aus Ernis Stüberl geworfen. Achtkantig und unsanft! Ich hatte ja gleich befürchtet, dass das Abfilmen der anwesenden Gäste nicht nur für Zustimmung sorgen würde, aber unser Associate Chief Strategy Director und unser Head of PR hatten uns das so aufgetragen, um diese völlig neue Herangehensweise in Presseaussendungen auch gleich als Beweis unserer professionellen wie innovativen Arbeitsweise zu verkaufen.

Dafür hatten die beiden dann wenigstens gleich eine alternative, viel bessere Idee. Ausgestattet mit allem, was man braucht – sogar Blaumänner mit Agenturbranding – bauen wir jetzt einen Pavillon im Agenturgarten. Statt Feldforschung beim kleinen Mann würden wir so selbst zum kleinen Mann werden und könnten dann nicht nur bessere Kampagnen machen, weil quasi in der Haut der Konsumenten, sondern unserem Kunden die Ergebnisse gleich im neuen, selbstgebauten Pavillon präsentieren. Proof of concept, nennt man das. Die nächsten Wochenenden sind natürlich gestrichen, aber von nichts kommt nichts. Schon gar nicht Top-Werbung.

Gruss und Kuss, Dein Vinzenz

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